ROTER VOGEL
Der rote Vogel kam zu mir,
der rote Vogel, der kommt,
wenn du ihn nicht erwartest
und wegfliegt, wann er will,
der rote Vogel, der nur in Freiheit singt...
Auf meiner Schulter ließ er sich nieder –
Links, wo das Herz ist.
Er breitet die Schwingen
und um mich her
Der Duft von reifen Waldbeeren,
das Lachen klarer Wasser
das Knarren von Wagenrädern
in endlosem Grün,
der heiße Atem des Bären
und das sanfte Geflüster des Waldes.
Ein Feuer lodert auf
und ein silberner Regen fällt.
Er breitet die Schwingen
Und ein Zigeunerlied beginnt:
Sanft, wie der Wimpernschlag eines Kindes,
wild wie die Stürme im Herbst,
und den wirbelnden Schneeflocken gleich,
übermütig und stolz wie eine Tänzerin
und ein bißchen "mato", wie unser Onkelchen,
süß wie der erste Kuß und das Brot nach langer Reise,
bitter wie die Tränen der Verlassenen.
Wie der Zorn der Geächteten,
wie der Schmerz der Verlachten
- unermesslich.
Hoch bis zum Himmel,
Tief bis zum Grund der Seele, zum Herz der Erde,
klingt es nun in mir.
Der rote Vogel kam
auf meine Schulter und ließ sich dort nieder,
küsste mein Herz
und füllte mein Blut mit Erinnerung.
Am Morgen flog er weiter, dem Vergessenen entgegen,
ließ mich zurück
mit seinem Lied in der Seele
und einer roten Feder in der Hand...